Geschichte der Konsumgenossenschaften in Deutschland


1844 - Gründung der ersten modernen Genossenschaft weltweit

1845/1850 - erste Gründungen in Deutschland
1903 - Gründung des "Zentralverbandes deutscher Konsumvereine eG" in Dresden
1933 bis 1945 - politische Einflussnahme und Zerschlagung der Konsumgenossenschaften
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1844 - Gründung der ersten modernen Genossenschaft weltweit

Der Gründung der ersten modernen Genossenschaft weltweit im englischen Rochdale waren eine Reihe von gescheiterten Versuchen der Etablierung von genossenschaftlichen Unternehmungen vorausgegangen. Allerdings waren diese Bewegungen aus verschiedenen Gründen gescheitert.

Zeichnung des Ladens der Redlichen PioniereFotografie der Redlichen Pioniere von RochdaleEnde 1843 schlossen sich 28 Flanellweber aus Rochdale nach einem gescheiterten Streik  für eine bessere Bezahlung zusammen und beschlossen, wöchentlich 2 Pence in eine Streikkasse einzuzahlen. Nachdem sich Anfang 1844 weitere Arbeiter der Gruppe anschlossen, reifte die Idee, gemeinsam einen Laden zu eröffnen, für diesen Waren einzukaufen und an die Mitglieder weiterzuverkaufen - ohne Händlerprofit, betrügerische Manipulationen an Gewicht oder Qualität.

Im Oktober 1844 wurde die Genossenschaft eingetragen und ein Laden konnte angemietet werden. Der erste Laden der Pioniere von Rochdale öffnete am 21. Dezember 1844 mit nur vier Waren im Angebot: Mehl, Butter, Zucker und Hafergrütze. Er hatte sieben Stunden in der Woche geöffnet, montags von 19 bis 21 Uhr und samstags von 18 bis 23 Uhr.

Vor der Gründung und Eintragung und der späteren Eröffnung des Ladens legten die Pioniere genau fest, wie sie die Genossenschaft aufbauen und nach welchen Prinzipien sie handeln wollten.

§ 1 der Satzung der "Redlichen Pioniere von Rochedale"

"Ziel und Zweck dieser Genossenschaft ist es, für den materiellen Nutzen und die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mitglieder Rechnung zu tragen ..."


Prinzipien der Genossenschaften gelten bis heute

Die Prinzipien der ersten Genossenschaft haben auch heute noch Bestand:
  •  die Versorgung der Mitglieder mit preisgünstigen und qualitativ hochwertigen Waren
  •  offene Mitgliedschaft
  •  politische und religiöse Neutralität
  •  demokratische Selbstverwaltung
  •  Verzicht auf Profitorienierung (keine Ausrichtung am Shareholder Value)Das Rochdale Pioneers Museum
  •  Rückvergütung der Gewinne an die Mitglieder

An die Geschichte der Redlichen Pioniere erinnert heute in dem Gebäude, in dem der erste Laden eröffnet wurde, das Rochdale Pionieers Museum (externer Link).

Ausführliche Informationen zur Geschichte der Rochdaler Pioniere können Sie in unseren Veröffentlichtungen "GenoSplitter" aus dem Jahr 2019 nachlesen. 
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1845/1850 - erste Gründungen in Deutschland

 

1845 - Spar- und Konsumverein "Ermunterung" in Chemnitz

Es ist wenig bekannt über die Gründung dieses ersten Vereins - es war noch keine Genossenschaft. Zu seinen Zielen gehörten die Verteilung von Waren, die zuvor nach einem bekannten Bedarf eingekauft wurden. Es gab anfangs auch kein Geschäftskapital, dieses wurde erst 1874 eingeführt. Es wurden Dividenden gezahlt - eine Rückvergütung auf die Einkäufe.
Der erste Konsumverein wurde 1868 gegründet: der Allgemeine Konsumverein für Chemnitz und Umgegend.


1850 - Gründung der ersten deutschen Konsumgenossenschaft - "Lebensmittel-Association" - in Eilenburg

Erinnerungstafel an die Gründung der KG EilenburgNach dem Vorbild aus Rochedale gründete sich 1850 im sächsischen Eilenburg die erste deutsche Konsumgenossenschaft. Arbeiter und Handwerker schlossen sich zu einer "Lebensmittel-Association" zusammen, eine Genossenschaft, die die Lebenserhaltung aller von Armut und Not bedrohten Bevölkerungsgruppen verbessern sollte.


Ihr folgten zahlreiche Gründungen weiterer Konsumgenossenschaften in ganz Deutschland. Zu den heute noch tätigen zählen
  •  die Konsumgenossenschaft Burg-Genthin-Zerbst eG - Gründung 1866 als Konsumverein zu Burg
  •  die Konsumgenossenschaft Weimar eG - Gründung 1873
  •  die Konsum Leipzig eG - Gründung 1884 als Consum-Verein für Plagwitz und Umgegend
  •  die KONSUM DRESDEN eG - Gründung 1888 als KONSUM Verein Vorwärts zu Dresden und Umgebung
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1894 - "Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine m.b.H. - GEG"


GEG - Hinein in den Konsumverein!Mit der Gründung der "Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine m.b.H. - GEG" im März 1894 in Hamburg konnten die einzelnen Konsumgenossenschaften die Vorteile des Großeinkaufs genossenschaftsübergreifend nutzen. Gegründet wurde die GEG mit einem Stammkapital von 34 500 Mark von 47 Konsumvereinen, davon kamen 27 aus Sachsen.
Seit 1906 ist das GEG-Zeichen als Schutzmarke eingetragen und gilt als Symbol für die Eigenproduktion der GEG. Ab 1910 errichtete bzw. übernahm die GEG Produktionsbetriebe, beispielsweise die neugebaute Seifenfabrik in Riesa, die Teigwarenfabrik in Riesa-Gröba und seit 1925 die Bürstenfabrik in Stützengrün, heute Bürstenmann GmbH - ein Unternehmen der Zentralkonsum eG. ► Bürstenmann GmbH (externer Link)
Es entstanden Warenlager in Mannheim, Berlin, Düsseldorf und in Chemnitz. ► Neue Kauffahrtei Chemnitz (externer Link)

Bis 1926 richtete die GEG 16 Großhandelslager ein, 1920 hatten sich ihr über 1 000 KONSUM-Vereine angeschlossen, sie war das größte deutsche Handelsunternehmen.
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1903 - Gründung des "Zentralverbandes deutscher Konsumvereine eG" in Dresden


Aufgaben des Zentralverbandes

  • Sammlung und Organisation der deutschen Konsumvereine und Produktivgenossenschaften zur Pflege und Wahrnehmung ihrer gemeinsamen Interessen mit vereinten Mitteln und Kräften.
  • Die Fortbildung der Verfassung und der Errichtung der verbundenen Vereine sowie die Pflicht des Genossenschaftsrechts und die Förderung des Genossenschaftswesens im allgemeinen.
  • Die Förderung des gemeinsamen Wareneinkaufs und Warenbezugs.
Im Mai 1903 findet der konstituierende Genosschenschaftstag des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine mit Sitz in Hamburg statt. Bereits Ende 1903 umfasst der Verband 627 Konsumgenossenschaften mit 573 085 Mitgliedern.

Die Idee der Konsumvereine setzte sich durch: 1907 gab es rund 1 200 Konsumvereine im Deutschen Reich, denen über eine Million (Einzel-)Mitglieder angehörten. Neben dem Zentralverband deutscher Konsumvereine eG, in dem rund 80% der Konsumvereine organisiert waren, gab es als zweiten konsumgenossenschaftlichen Verband den Reichsverband deutscher Konsumvereine e.V.

1933 wurde der Zentralverband von der NS-Regierung aufgelöst, ebenso die Verlagsgesesellschaften des Zentralverbandes und der Reichsverband deutscher Konsumvereine.

Konsumgenossenschaften gründeten sich europaweit


Auch in den anderen europäischen Ländern gründeten sich Konsumvereine: In England waren 1907 rund 2,3 Millionen Mitglieder in Konsumvereinen registriert, in Frankreich 640 000. In Österreich-Ungarn, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz und den skandinavischen Ländern organisierten sich ähnlich viele Mitglieder in den Konsumgenossenschaften.
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1933 bis 1945 - politische Einflussnahme und Zerschlagung der Konsumgenossenschaften


Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 führte auch bei den Konsumgenossenschaften in Deutschland zu weitreichenden Veränderungen. Die beiden konsumgenossenschaftlichen Verbände (Zentralverband deutscher Konsumvereine eG und Reichsverband deutscher Konsumvereine e.V.) wurden der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront unterstellt. Die Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine m.b.H. - GEG wurde umbenannt in Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH (GEG). In dieser Gesellschaft wurden die genossenschaftlichen Zentralverbände zusammengefasst.
1941 wurden die Konsumgenossenschaften nach Zwangsliquidierungen, Übergriffen und Zerstörungen endgültig enteignet. Sie wurden an private Einzelhändler übergeben oder als "Versorgungsringe" der Deutschen Arbeitsfront übereignet.

§ 54 GenG
Die Genossenschaft muss einem Verband angehören, dem das Prüfungsrecht verliehen ist (Prüfungsverband).

Aber nicht nur die Konsumgenossenschaften wurden dem Führerprinzip untergeordnet. Mit der Novelle zum Genossenschaftsgesetz 1934, unterzeichnet von Adolf Hitler als "Führer und Reichskanzler" und dem Reichsjustizminister Gürtner, wurde die Zwangsmitgliedschaft in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband eingeführt. Sie gilt bis heute unverändert.
► weitere, ausführliche Informationen finden Sie auf www.konsum-info.de (externer Link)
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1945 - Befehl zur Wiedereinrichtung der Konsumgenossenschaften


Nach der Kapitulation Deutschlands am 08. Mai 1945 und der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen entwickelten sich die Konsumgenossenschaften in der Sowjetischen Zone (später DDR) und den drei Zonen der Briten, Amerikaner und Franzosen (später Bundesrepublik Deutschland) unterschiedlich.

SMAD Befehl 176Bereits wenige Tage nach der Kapitulation wurden die ersten Konsumgenossenschaften wiedergegründet, zu ihnen gehörte die Konsumgenossenschaft Calau-Luckau in Brandenburg. Bis Dezember 1945 waren auf dem späteren Gebiet der DDR bereits 33 Konsumgenossenschaften wiedererrichtet worden, sie vertraten etwa 500 000 Mitglieder.

Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) legte mit ihrem Befehl Nr. 176 vom 18. Dezember 1945 die Rolle der Konsumgenossenschaften in ihrer Besatzungszone fest: der Konsum sollte Lebensmittel und grundlegene Bedarfsgüter für die Bevölkerung in Groß- und Einzelhandel verteilen, die dazu notwendigen Transportkapazitäten bereitstellen sowie diese Güter auch selbst produzieren. Mit diesem Befehl waren die Konsumgenossenschaften nicht nur offiziell wieder zugelassen, sondern erhielten auch eine erhöhte Bedeutung gegenüber der Zeit vor 1933. Im Unterschied zur Zeit von 1933 durfte nun auch an Nicht-Mitglieder verkauft werden. Der Befehl verfügte weiterhin die Rückübertragung des früheren Eigentums der Konsumgenossenschaften, die sich in Hand der Versorgungsringe sowie von Privatpersonen und öffentlichen Einrichtungen befanden.
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1949 - Gründung des "Verbandes Deutscher Konsumgenossenschaften (VDK)" in der Sowjetischen Besatzungszone


Gründungsort des VdK - Haus VaterlandMit der Gründung des Verbandes Deutscher Konsumgenossenschaften (VDK) am 27. August 1949 wurde "das zentrale, planende und leitende Führungsorgan der nach dem Prinzip des demokratischen Sozialismus aufgebauten Konsumgenossenschaften der Deutschen Demokratischen Republik [geschaffen], das als Mitglieder die Konsumgenossenschaftsverbünde der Bezirke in sich vereinigt und nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitet, für die Verwirklichung der Wirtschaftspolitik der Deutschen Demokratischen Republik in den konsumgenossenschaftlichen Einheiten verantwortlich ist."

Konsum-Marken

Der Konsum, das zweitgrößte Handelsunternehmen der DDR, war vor allem Nahversorger auf dem Land und passte eigentlich auf Grund seines privatwirtschaftlichen Status nicht in das sozialistische Wirtschaftssystem. Doch der Staat brauchte den Konsum für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Aus diesem zwiespältigen Verhältnis entstanden Akzeptanz und gleichzeitig Einordnung in die staatliche Planung, was in Bezug auf die Festlegung von Löhnen sowie von Preisen für den Ein- und Verkauf allenfalls minimalen Spielraum zuließ. Die Genossenschaften waren auch bei der Finanzierung von Investitionen sowie der Zahlung einer Gewinnabgabe an staatliche Vorgaben gebunden. Ungeachtet der Tatsache, dass sie private Handelseinrichtungen waren und ihren Mitgliedern gehörten.

Die Konsumgenossenschaften der DDR waren in 14 Bezirksverbänden organisiert, im Verband der Konsumgenossenschaften der DDR (VdK) vereinigt und jeweils einzeln im Genossenschaftsregister registriert. Der Verband selbst war als sogenanntes wirtschaftsleitendes Organ für die Einhaltung und Erfüllung staatlicher Vorgaben, speziell gegenüber dem Ministerium für Handel und Versorgung, verantwortlich.
 

1989/1990 - Zeiten des Umbruchs und des Neuanfangs

 

Bis zur Wende betrieben die 198 Konsumgenossenschaften der DDR 30 000 Läden mit einer durchschnittlichen Ladengröße von 73 Quadratmetern sowie 6000 Gaststätten. Ihr jährlicher Umsatz betrug ca. 40 Milliarden Mark der DDR, 30 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes des Landes. Weitere sechs Milliarden erwirtschafteten die Bezirksverbände und der VdK mit ihren 62 Produktionsbetrieben. Sie stellten Teig- und Süßwaren, Kaffee und Spirituosen sowie Möbel her, die Konsumbetriebe mehrheitlich Back- und Fleischwaren. Insgesamt beschäftigten die Genossenschaften mit rund 4,6 Millionen Mitgliedern sowie der VdK und die 14 Bezirksverbände insgesamt 260 000 Mitarbeiter.

Mit der Währungs- Wirtschafts- und Sozialunion am 01. Juli 1990 mussten sich die Entscheider bei den Konsumgenossenschaften vielfältigen neuen Herausforderungen stellen: dem bislang ungestillten Wunsch der Ostdeutschen nach Westwaren, dem Fehlen eines eigenen Großhandels für die Genossenschaften, ungeklärten Eigentumsverhältnissen bei Grund und Boden und daraus folgender fehlender Kreditwürdigkeit. Mit dem Wechsel von der Plan- zur Marktwirtschaft musste jedes Unternehmen plötzlich selbst entscheiden, wie es handeln will. Auch gab es im Einigungsvertrag keine Regelungen für die Konsumgenossenschaften.
Die Entscheider bei den einzelnen Konsumgenossenschaften verfolgten unterschiedliche Strategien, um ihre Unternehmen zu sichern, die einen fusionierten, andere verkleinerten sich radikal, suchen das Joint Venture, die Kooperation oder die Nutzung von Franchisesystemen, andere wiederum suchten und fanden ihre Nische im Angebot von regionalen und qualitativ hochwertigen Angeboten.

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KONSUM heute


Heute sind noch 13 Konsumgenossenschaften auf dem Gebiet der ehemaligen DDR am Markt, zehn von ihnen sind Mitglied der Zentralkonsum eG.
Die Zentralkonsum eG steht in der Traditionslinie des 1903 gegründeten Zentralverbandes Deutscher Konsumvereine, 1949 wieder gegründet als Verband der Konsumgenossenschaften der DDR (VdK), 1999 umbenannt in Konsumverband eG und 2008 umbenannt in Zentralkonsum eG.
Für ihre Mitglieder - zehn Konsumgenossenschaften, fünf gewerbliche Genossenschaften, eine Raiffeisengenossenschaft, drei Kreditgenossenschaften, zwei Agrargenossenschaften sowie zehn Gesellschaften - leistet die Zentralkonsum eG Lobbyarbeit, nimmt Einfluss auf politische Willensbildung und Entscheidungen, erbringt Beratungs-, Organisations- und Bildungsleistungen und ist zugleich Plattform für Kontakte und Erfahrungsaustausch.
Ihr finanzielles Rückgrat sind die Industrietöchter Bürstenmann GmbH, Stützengrün, Röstfein Kaffee GmbH, Magdeburg, die Hotelunternehmen Berghotel Oberhof sowie Hotel Dorotheenhof Weimar, die Gewerbeimmobilie Neue Kauffahrtei Chemnitz und die Dienstleistungsunternehmen LiCo LiegenschaftsConsult GmbH und IBVG Industrie-Beteiligungsverwaltungsgesellschaft mbH sowie die KONSUM SHOP GmbH.
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